Samstag, 15. Juni 2019

Wenn die Geschichte ihr Ziel verfehlt...


















Wenn die Geschichte ihr Ziel verfehlt…                               





Bin in Gedanken in meiner Heimat Hatzfeld

Durchblättere Jahrzehnte, dort einst gelebt

Damals blühten Brauchtum, Ehrfurcht vor Menschen, Feld

Heimat, wie schön die Zeit, die ich bei dir erlebt



Damals, damals fuhr noch der Leichenwagen

In ehrfurchtsvoller Stille, mit all seiner prunkvollen Schönheit

Keiner fragte, ob alt, jung, reich, arm, von den Pferden getragen

Auf dem letzten Weg, zu seiner heiligen Ewigkeit



Damals, damals weinte man noch in tiefem Schmerz

Damals, damals gab es noch gelebte Traurigkeit

Man teilte die Sorgen, tröstete das trauernde Herz

Damals, noch Augenblick gespürt, Leid, Sinn der Zeit



Damals ging noch die Prozession durch die Gassen

Von der Kirche zum Friedhof, weil ein heiliger Tag

Heute, heute so fremd geworden, diese Gassen

Weil kaum einer sie als Heimat, göttliche Gabe mag



Welt und Leute haben ein fremdes Gesicht

Damals, damals feierten wir noch Sitte und Brauch

Keiner kennt ihn mehr, diesen Reichtum. Erloschenes Licht

Aus manchem Haus steigt er nie mehr, dieser silberne Rauch



Keinem Kirchweihfest mehr in der Kirche, in den Gassen zu begegnen

Keine Trachtenpaare leuchten mehr in ihrer Regenbogenfarbentracht

Keiner freut sich mehr, weil es endlich beginnt zu regnen

Weil Reichtum die Felder füllt, Sterne sie schmücken, die Nacht



Keiner freut sich mehr beim Garben binden

Wo du gefühlt, wie reich die Fülle der Weizenähren

Keiner freut sich mehr, ein vierblättriges Kleeblatt zu finden

Keiner schaut mehr, ob Hamster, Tauben, Ratten sich vermehren



Keiner ist mehr stolz, weil seine Gassenwege sauber, rein

Keiner freut sich, dass eine Jahreszeit wieder erblüht

Kaum einer schaut noch beim Nachbarn rein

Wie es ihm geht. Keiner merkt, wenn Abendrot verglüht



Keiner sitzt mehr auf der Bank vor dem Haus

Stolz, dass seine Enkelkinder die schönsten Schleifen im Haar

Hatzfeld, eine Ära voller Reichtum, Unwiederbringlichem ist aus

Leute löschen langsam deine Geschichte – Tag für Tag, Jahr um Jahr

 

Heimat, ich habe Heimweh nach unserer Zeit

Ich sehne mich danach, deine Erde zu berühren

Wohin nur alles verschwunden? Welch armselige Menschheit

Nicht fähig, nicht willig, Reichtum deiner Geschichte zu spüren



Alles beugt sich der steten, ewigen Vergänglichkeit

Heimat, deine Geschichte lebt nur noch im Buche der Erinnerung

Hatzfeld, sie war so wunderschön mit dir, unserer Jahre Zeit

Ich behalte dich tief im Herzen. Bete um Erhalt und Hoffnung



Geschichte, was tut er nur, dein Wanderstab, mit Hatzfeld

Warum löschst du diese reiche Schönheit einfach aus

Warum sehen Menschen nicht die Einzigartigkeit von Gassen, Feld

Egal was geschieht, Hatzfeld, du bleibst meine Heimat, mein Zuhaus´



Ich blättere noch einmal im Buche meiner Erinnerung

Gehe noch einmal durch die Gassen, Kirche, Friedhof, Brauch

Ich blättere weiter. Sie stirbt langsam, die letzte Hoffnung

Bald wird man ihn sehen, Hatzfelds allerletzten Silberrauch



Auch der letzte Schornstein steht irgendwann allein

Wenn man den letzten Hatzfelder zu Grabe trägt

Geschichte, wie kannst du nur so grausam, so herzlos sein

Meine Heimat - vom Fleiß der Ahnen, der Liebe seiner Hatzfelder geprägt



©Elisabeth Anton, Speyer / Hatzfeld

                24.02.2009

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