Dienstag, 30. Juli 2019

Zum letzten Mal, Abschied vom Heimatfriedhof

















 Foto:©Elisabeth Anton
 


Zum letzten Mal, Abschied vom Heimatfriedhof    


Ein letztes Mal, ich erinnere mich
Ging ich, Mai 1980, schweigend von Grab zu Grabstein
Bewusst, Abschied zu nehmen. Ich erinnere mich
Vor mir die Verstorbenen, ihr gelebtes Sein

Vor meinen Augen, welch Teppich voller Tränen
Verblasste Namen, egal vor welchem Grab ich stand
Nicht alle Erinnerungen konnte ich erwähnen
Vor Tagen reichte man mir noch zum Abschied die Hand

Meine Abreise konnte er nicht mehr erleben
Obwohl er selbst den gleichen Traum geträumt
Freunde, Nachbarn, Verwandte – nicht mehr leben
Ihr Weg hat das Ziel der Freiheit, leider, versäumt

Rund um mich, erstickende Stille, meine Tränen
Marmorstein reiht sich an Marmorstein
Namen, Zahlen, Zitate, gelebtes Leben erwähnen
Und ich? Ich kann nur noch traurig sein

Traurig, weil so viele von den Toten
Vergebens ihn geträumt, den Freiheitstraum
Verstummt, ihrer Hoffnung gigantisch klingenden Noten
Jetzt ruhen sie hier aus, in ihrem dunklen, einsamen Raum

Ich schau mich um, schaue über die Gräber weit
Überall mit Blumen geschmückte Grabesreihen
Hier liegen sie – ihr Leben, ihre Ziele, ihre endliche Zeit
Stehe hilflos davor, kann weder Leben schenken noch entleihen

Sie tun mir so leid, all die Toten
Weil sie nicht mehr erreicht ihrer Träume Reise
Ich bete. Ich weine. Ich denke an die Toten
Wie fleißig sie gewesen, sparsam, menschlich, weise

Blumenduft bringt mir der leis´ säuselnde Wind
Ich atme ihn tief ein. Tränen überfluten mein Gesicht
Ich gehe weiter. Schon damals, ich war noch ein Kind
Liebte ich dieses Blumenmeer, „den Ort“ verstand ich nicht

Wieder ein Grabstein, ein trauriges Schicksal vor mir
Namen erinnern mich an Menschen, an eine schöne Zeit
Plötzlich, plötzlich waren sie nicht mehr hier
Zu Ende auch ihr Traum, ihr Weg in die Freiheit

Der Augenblick so traurig, mein Gemüt so schwer
Noch ein Name. Hier ruht meine Schulfreundin
In blühender Jugend gestorben, vermisse sie sehr
Bis heute blieben unsere Stunden mir tief im Herzen, im Sinn

Noch einmal berühre ich die alte Kapelle
Halte mich fest an ihrer dicken kühlen Wand
Tief in mir, eine unbeschreibliche Gefühlswelle
Ein letztes Mal auf dem Friedhof, bevor ich es verlasse, das Land

Noch einmal, noch einmal ein letzter Blick
Über dieses Blumen– und Gräbermeer
Heimat, welch Vergangenheit ohne Zurück
Sie, alle gestorben. Ihren Traum von Freiheit träumen sie nicht mehr

Jede Grabesreihe streift er, zum letzten Mal
Mein trauriger Blick. Weiße Rosen, sie zittern in meiner Hand
Ich flechte sie ins schwarze Gittertor der Kapelle, zum letzten Mal
Lese noch den Text am Giebel. Zaghaft zitternd, winkt meine Hand

Ich stehe noch eine Weile, draußen vor dem Friedhofstor
Tränen weben sich ihren Nebelschleier, mehr nicht
In Gedanken höre ich ihn singen, zum letzten Mal, den Männerchor
Meiner Heimat. Ob Freiheit hält, was sie verspricht…???

©Elisabeth Anton, Speyer / Hatzfeld
              20.04.2014














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