Foto:©Elisabeth
Anton
Zum letzten Mal, Abschied vom
Heimatfriedhof
Ein letztes
Mal, ich erinnere mich
Ging ich, Mai
1980, schweigend von Grab zu Grabstein
Bewusst,
Abschied zu nehmen. Ich erinnere mich
Vor mir die
Verstorbenen, ihr gelebtes Sein
Vor meinen
Augen, welch Teppich voller Tränen
Verblasste Namen,
egal vor welchem Grab ich stand
Nicht alle
Erinnerungen konnte ich erwähnen
Vor Tagen reichte
man mir noch zum Abschied die Hand
Meine Abreise
konnte er nicht mehr erleben
Obwohl er
selbst den gleichen Traum geträumt
Freunde,
Nachbarn, Verwandte – nicht mehr leben
Ihr Weg hat das
Ziel der Freiheit, leider, versäumt
Rund um mich,
erstickende Stille, meine Tränen
Marmorstein
reiht sich an Marmorstein
Namen, Zahlen,
Zitate, gelebtes Leben erwähnen
Und ich? Ich kann
nur noch traurig sein
Traurig, weil so
viele von den Toten
Vergebens ihn
geträumt, den Freiheitstraum
Verstummt,
ihrer Hoffnung gigantisch klingenden Noten
Jetzt ruhen sie
hier aus, in ihrem dunklen, einsamen Raum
Ich schau mich
um, schaue über die Gräber weit
Überall mit
Blumen geschmückte Grabesreihen
Hier liegen sie
– ihr Leben, ihre Ziele, ihre endliche Zeit
Stehe hilflos
davor, kann weder Leben schenken noch entleihen
Sie tun mir so
leid, all die Toten
Weil sie nicht
mehr erreicht ihrer Träume Reise
Ich bete. Ich
weine. Ich denke an die Toten
Wie fleißig sie
gewesen, sparsam, menschlich, weise
Blumenduft
bringt mir der leis´ säuselnde Wind
Ich atme ihn
tief ein. Tränen überfluten mein Gesicht
Ich gehe
weiter. Schon damals, ich war noch ein Kind
Liebte ich
dieses Blumenmeer, „den Ort“ verstand ich nicht
Wieder ein
Grabstein, ein trauriges Schicksal vor mir
Namen erinnern
mich an Menschen, an eine schöne Zeit
Plötzlich,
plötzlich waren sie nicht mehr hier
Zu Ende auch
ihr Traum, ihr Weg in die Freiheit
Der Augenblick
so traurig, mein Gemüt so schwer
Noch ein Name.
Hier ruht meine Schulfreundin
In blühender
Jugend gestorben, vermisse sie sehr
Bis heute
blieben unsere Stunden mir tief im Herzen, im Sinn
Noch einmal
berühre ich die alte Kapelle
Halte mich fest
an ihrer dicken kühlen Wand
Tief in mir,
eine unbeschreibliche Gefühlswelle
Ein letztes Mal
auf dem Friedhof, bevor ich es verlasse, das Land
Noch einmal,
noch einmal ein letzter Blick
Über dieses
Blumen– und Gräbermeer
Heimat, welch Vergangenheit
ohne Zurück
Sie, alle
gestorben. Ihren Traum von Freiheit träumen sie nicht mehr
Jede
Grabesreihe streift er, zum letzten Mal
Mein trauriger
Blick. Weiße Rosen, sie zittern in meiner Hand
Ich flechte sie
ins schwarze Gittertor der Kapelle, zum letzten Mal
Lese noch den
Text am Giebel. Zaghaft zitternd, winkt meine Hand
Ich stehe noch
eine Weile, draußen vor dem Friedhofstor
Tränen weben
sich ihren Nebelschleier, mehr nicht
In Gedanken
höre ich ihn singen, zum letzten Mal, den Männerchor
Meiner Heimat.
Ob Freiheit hält, was sie verspricht…???
©Elisabeth
Anton, Speyer / Hatzfeld
20.04.2014
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