Freitag, 29. Dezember 2023

Der Weg meiner Ausreise

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto:©Elisabeth Anton

 

Der Weg meiner Ausreise                              

 

Was standen wir die halbe Nacht

Für diese „Großen Formulare“

Was haben „DIE“ sich über uns lustig gemacht

Welch ein Kampf, für diese Ausreiseantragsformulare

 

Das, das war ein ganz normales Blatt Papier

Der Vorbote für die Ausreisegenehmigung

Begehrt von allen, dir und mir

Und alle Ausreisewilligen lebten diese Hoffnung

 

Was hat man uns verspottet, ausgelacht

Richtig angepöbelt, aus oft noch ungepflegtem Mund

Und wir standen wartend da, oft die ganze Nacht

Im Winter so eisig kalt, immer unerträglicher, mit jeder Stund´

 

Über Jahrzehnte diese Prozedur

Uns, so oft, von einer zur anderen Tür getrieben

Dieser Kampf um meine Ausreise ritzte eine tiefe Spur

Bis heute, Grauen, Ekel und Abscheu mir geblieben

 

Die „Kleinen Formulare“ öfters, einfach so ausgeteilt

Um es zu verbessern, „IHR“ Taschengeld

25 Lei nahmen SIE jedes Mal. Wir, als ob „geheilt“

Dankbar, nicht vergebens zu warten, unter funkelndem Sternenzelt

 

Was haben DIE ihre Komödie gespielt

Wo WIR die Lachfiguren, SIE die Rollenverteiler

Was haben DIE so unmenschlich auf uns gezielt

Dass ich oft unsicher, ist der Zähler oder der Nenner der Teiler

 

DIE, DIE haben mich oft dem Wahnsinn nahegebracht

Eine so unausgesprochene Angst, irgendwie immer da

Ekel und „Mitleid“ dazu, als DIE so spöttisch, „von oben“ gelacht

Über „mein Betteln“. So oft dies Prozedere geschah

 

Und immer wieder der Securitate Demütigung

Immer und immer wieder uns zum Narren gehalten

Doch ich, ich gab sie nie auf, die Hoffnung

Mein Nervenkostüm, mit enormem Durchhalten

 

Ich hörte sie noch so oft, bis heute, DEREN Drohung

„Egal wo du dich beschwerst, man wird keine Beweise finden.“

Diese Worte verunsicherten selbst meine Erinnerung

Ich wusste nur, mit DENEN werde ich mich nie „verbinden“

 

Und als dann, endlich, nach vielen Jahren

Fast zwei Jahrzehnte schon übers Land gefegt

Wurden wir 27.4.80 gerufen, für den Pass, in lauernden Gefahren

Stand ich sprachlos da. Die „Großen Formulare“ von 1964 uns vorgelegt

 

„Habt IHR all die anderen „fünf Großen Formulare“ entsorgt?“

Meine Gedanken, nur fragen traute ich mich nicht

Dann hätte man mir den Pass nicht mal geborgt

Mich aus dem Gebäude hinausgetrieben, mit Kurz- und Weitsicht

 

Wie eine Gefangene, gemeißelt in Stein

Fühlte ich mich, als ich vor diesen Fotos stand

Mein Haar noch in Zöpfen geflochten, von mir allein

Großvater drückte fest meine Hand

 

Wir standen also vor unseren Anträgen

Die wir 1964 schon ausgefüllt, gestellt

Draußen die Straßenkehrer den Gehweg fegen

Ein streunender Hund nur noch leise bellt

 

Das waren meine Gedanken, in diesem erstickenden Raum

In der anderen Herzhälfte, meine Freude in tiefster Stille

Freude, nein, Triumpf konzertierte in mir. Ziel und Traum

Erreicht. Am Ende siegte des Himmels Wille

 

All die Demütigungen zur Seite geschoben

Von diesem allmächtigen Triumpf, tief in mir

Dann sagte DER noch: „Euch muss man loben

Für so viele Jahre Geduld. Aber heute, heute seid ihr ja hier.“

 

In Gedanken ballten sich meine Fäuste zum Würgegriff

Was brauchte ich Kraft und beherrschende Zurückhaltung

Dann, endlich durch die Tür, von außen den Türgriff

Zugemacht. Es atmete, tief in mir, die wortlose Hoffnung

 

Keiner sprach auch nur ein Wort

Das war schon zuhause so, ganz klar, abgemacht

Kein Nervenverlieren, keine Aufregung, egal was geschieht, dort vor Ort

Daran hat jetzt, jeder von uns, nochmals gedacht

 

Wortlos gingen wir die Straße entlang

Weit weg von „diesem Gebäude“ sagte ich

„Vielleicht haben wir´s bald geschafft, mit oder ohne Sang und Klang.“

Keine Antwort. Stillschweigen rund um mich

 

Endlich an der Oper angekommen

„Jetzt gehen wir was trinken, was essen, es fährt noch ein Zug.“

Stumm haben alle meinen Vorschlag angenommen

In Gedanken meine Frage: „Wahrheit oder Betrug?“

 

Doch meine Hoffnung, sie zeigte sich

Stark und tief dieser Triumpf über die Schikanen der Diktatur

Ich traute DENEN nicht, dennoch war ich zuversichtlich

Mich trug der Himmel, die göttliche Schönheit, die Macht der Natur

 

Endlich am Bahnhof von Hatzfeld

Ohne Worte, aber beneidet von allen, die mit gleichem Ziel

Bald, bald endete sie, „diese Diktatur-Welt“

Am 13. Juli 1980, großer Schachzug, zu Ende das Spiel

 

Die letzten Schikanen noch beim letzten Zoll

Dann rollte der „Orient-Express“ Richtung ersehntes Land

Es fiel mir auf, die Abteile der Waggons nicht mal voll

Genügend Sitzplatz. Ich triumphierte tief in mir, küsste meines Kindes Hand

 

Das, das ist ein Teil der Geschichte unserer Ausreise

Jahre voller Zwang, keinerlei Ausreisevisum, pure Diktatur

Ich teilte meine Welten, auf meine Art und Weise

Lebte ehrlich, mitten in meiner Heimat, Elternhaus, Heimatnatur 

 

©Elisabeth Anton, Speyer / Hatzfeld

                    28.09.2012

 

 

 

 

 

 

 

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