Sonntag, 23. Dezember 2018

Eine Weihnachtsgeschichte

 















Eine Weihnachtsgeschichte                
               

Ein kleines Mädchen sitzt vor einem Wegkreuz, am Ackerrand.
Neben ihr, ihre gute alte Gans. Sie lief ihm hinterher.
Behutsam wird sie gestreichelt, von des Kindes Hand.
„St. Martin ist vorbei. Komm zu mir her.“

Das Mädchen nimmt die Gans fest in seine Arme, drückt sie an sich.
„Schau mal“, sagt sie, „das ist der Menschen Brauch und Sitte.
Der Gänsebraten ist nun mal ihr Weihnachtsfestgericht - seit ewiglich.
Aber du, du bist bei mir, trotz manchem Brauch, mancher Sitte.“

Mit ihrem Schnabel versucht die Gans, das Mädchen zu berühren.
Als wolle sie schweigend wortlos sagen: „Ich danke dir!“
Am Wegkreuz, das kleine Mädchen und seine Gans, sie spüren,
dass das Leben seine Schattenseiten, auch im Sonnenrevier.

„Weißt du, bald ist ja Weihnachtszeit.“
Ganz traurig schaut die Gans zum Mädchen hoch.
„Hab keine Angst, bei mir bist du in Sicherheit.
Wir bleiben hier bis Weihnachten vorbei, graben uns ein Höhlenloch.“

Mit bloßen Händen und mit Gänseschnabel,
scharren beide, als wollten sie sich, über Weihnachten, hier verstecken.
„Dein Braten schmeckt keinem auf dem Tisch, auf keiner Silbergabel.
Das verspreche ich dir. Sollen doch den Tisch ohne uns decken.“

Des Weges her kam ein altes Mütterlein.
Auf ihrem Rücken trug sie ein Bündel gesammeltes Holz.
„Was macht ihr denn hier? Seid ihr allein?“
„Ja!“, sagte das Mädchen, voller Anmut und Stolz.

„Wir bleiben hier, bis Weihnachten vorbei.
Damit „SIE“ nicht als Gänsebraten auf dem Tisch landet.“
„Ihr müsst nach Hause. Man sucht bestimmt nach euch zwei.“
Manches Boot ist schon allein gestrandet.

Das Mädchen schaut, nachdenklich, der alten Frau in die Augen.
Schaut zu seiner Gans und sagt voller Verzweiflung:
„Aber die anderen, die anderen alle, die taugen,
sind an Weihnachten auf dem Teller. Ich habe keine Hoffnung.“

„Frohe Weihnachten, altes Mütterchen. Wir danken dir!“
„Komm!“, sagte das Mädchen zu seiner Gans, "Wir sollen nach Haus.“
Bald ist Weihnachten. Glücklich strahlende Kinder wünsche ich mir.
Gesegnetes Fest allen. Jede Geschichte ist irgendwann mal aus.

„Geht nach Hause, deine Mutter nimmt es dir nicht weg, dein Lieblingstier.
Schau, bald ist Weihnachten. Male ihr ein Bild, mit Engel und Marzipan-Schimmel.“
„Weißt du“, sagte das kleine Mädchen, „irgendwann waren wir vier.
Ich male kein Bild. Erzähle lieber meiner Gans vom Glück da oben, vom Glück im Sternenhimmel...“

©Elisabeth Anton, Speyer / Hatzfeld
      19.11.2004

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„Liebe und Glück“, buchstabiert

                    Foto:©Elisabeth Anton   „Liebe und Glück“, buchstabiert                                                              ...