Nicht jeder hat im Leben Glück

Nicht jeder hat im Leben Glück                       
Der Bettler am Straßenrand


Er sitzt, seit Jahren, am Straßenrand       
Bettelt, damit er täglich ein Stück Brot
Keiner reicht dem unschuldigen Bettler seine Hand
Weil in dieser Gesellschaft, grundsätzlich, der Bettler schuldig, dass er in Not

Kaum einer beugt sich mal zu ihm hin
Ihn mal zu fragen, warum er betteln muss
Mal von Mensch zu Mensch fühlen, denken, kommt keinem in den Sinn
„Selbst schuld, wenn er arm“, so der herzlosen Gesellschaft einziger Schluss

Die Lichter funkeln, die Straßen bald leer
Mit vielen Tüten voll bepackt, beladen jede Hand
Gehen alle nach Haus, keiner denkt mehr
Warum so hilflos, kraftlos, des Bettlers zitternde Hand

Ich bleibe bei ihm stehen, wie viele Tage im Jahr
Setz mich heute zu ihm. Wir zwei allein am Straßenrand
„Wie schön es doch im Sommer war,“
Sagte er, „das warme Licht vom lauen Wind und Sonnenband.“

Ich reiche ihm ein kleines Päckchen
Er schaut mich an, öffnet wortlos, was ich ihm geschenkt
Handschuhe, Schal, Mütze hab ich ihm gebracht. Im kleinen Säckchen
Ein paar Süßigkeiten, damit auch er, heute, an Weihnachten denkt

Er zieht, mit Tränen in den Augen, die Handschuhe an
Nimmt wortlos meine Hand, als sein Dankeschön
„Wenn ich den Winter überlebe, fang ich an
Zu hoffen, dass Wunder auch für mich geschehn´

Du, du als Mensch, hast mir Kraft gebracht
Mir, seit Jahren, gezeigt, ich darf nicht aufgeben
Ich danke dir. Möge des Himmels Macht
Es noch lange beschützen, dein Leben.“

Dann senkte er wieder Kopf und Gesicht
Seine Tränen fielen stumm. Keiner, außer mir, will sie sehen
Bettler, sie sind nicht schuldig, wenn ihres Weges Licht
Verblasst. Nicht jeder hat das Glück, sorglos, geliebt, die Wege seiner Jahre zu begehen

©Elisabeth Anton, Speyer / Hatzfeld
        25.12.2017