Samstag, 27. Juli 2019

Es war einmal Heimat...

















Foto:©Elisabeth Anton



Es war einmal Heimat…             


Sehr gerne und oft denke ich zurück
An mein Elternhaus, seine Wände gestampft aus Lehm
Welch Kühle im Sommer, im Winter Wärmeglück
Welch handwerkliche Kunst, dieses Prachtdiadem

Fast siebzig Zentimeter dicke Wände
Ein neues Fenster, da musste die Säge her
Funkensprühen, bis das größere Loch gesägt zu Ende
Welch Handwerksleistung – so edel, so hehr

Diese Wände schützten vor eisiger Kälte und Hitzestrahlen
Sie wurden, fast jährlich, frisch bemalt
Die Musterrollen ausgewählt, jede mit ihren Zahlen
Zum Schluss wurde dann der Maler in bar bezahlt

Sie waren so glatt, diese dicken, gestampften Wände
Dieser saubere Duft, den gibt es in keinem Ziegelhaus
Diese Lehmhäuser in Hatzfeld, sie überlebten Kriege, Diktaturwende
Viele stehen heute noch - Kunstwerke unserer Ahnen, ohne Applaus

Ich liebte diese Natur, diese natürlichen Wände
Genau wie auf dem Dachboden, dieser festgetretene Lehm
Nie zu schade, jährlich, die eigenen Hände
Mit Kuhfladen in Wasser aufgelöst, wischte man den Estrich aus Lehm

Jedes Jahr und immer wieder, des Hauses Rückwand
Abgekehrt, frischen Lehm, mit Spreu und Wasser, aufgetragen
Da, wo kleine Risse, ein Stück rausgefallen - alles von Hand
Alles selbstverständlich, keine unnötigen Fragen

Was man durch harte Arbeit mühsam zusammengespart
Schätzte man, versuchte es lange zu erhalten, bewahren
Da hat keiner zynisch gelacht, keiner dich vernarrt
Man half sich gegenseitig, alles Wertvolle zu bewahren

Was mir am Haus, in der Heimat, so gut gefiel
Das war diese grenzenlose Natur, mitten im Fensterrahmen
Den ganzen Sommer sperrangelweit offen das Fenster, weil kein Ziel
Für Räuber, Diebe. Da wollte keiner kostenlos „absahnen“

Genau wie der Schlüssel, von der Haustür
Er lag auf der Mauer oder hing am Nagel, innen, am Bretterzaun
„Stehlen“ war ein Fremdwort, manchmal nicht abgeschlossen die Küchentür
Damals hatten die Menschen noch in Himmel, Mensch, Erde und Natur Vertrauen

Den ganzen Sommer, beim offenen Fenster eingeschlafen, geträumt
Blütendüfte tränkten die Luft der wohltuenden Nacht
Welch gesundes Atmen, keine Witterung versäumt
Bei offenem Fenster geschlafen – unter Sternenzelt und Rosenduftpracht

Diese Jahrzehnte, diese wertvolle, unbezahlbare Zeit
Sie kehrt nie mehr, niemals mehr wieder
Mein Elternhaus, aus Lehm gestampft, welch Großartigkeit
Durch das offene Fenster, die ganze Nacht, drang er bis zu mir, der Duft vom Flieder

©Elisabeth Anton, Speyer / Hatzfeld
           10.09.2014



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