Foto:©Elisabeth
Anton
Es war einmal Heimat…
Sehr gerne und oft denke ich zurück
An mein Elternhaus, seine Wände gestampft aus
Lehm
Welch Kühle im Sommer, im Winter Wärmeglück
Welch handwerkliche Kunst, dieses Prachtdiadem
Fast siebzig Zentimeter dicke Wände
Ein neues Fenster, da musste die Säge her
Funkensprühen, bis das größere Loch gesägt zu
Ende
Welch Handwerksleistung – so edel, so hehr
Diese Wände schützten vor eisiger Kälte
und Hitzestrahlen
Sie wurden, fast jährlich, frisch bemalt
Die Musterrollen ausgewählt, jede mit ihren
Zahlen
Zum Schluss wurde dann der Maler in bar
bezahlt
Sie waren so glatt, diese dicken, gestampften Wände
Dieser saubere Duft, den gibt es in keinem
Ziegelhaus
Diese Lehmhäuser in Hatzfeld, sie überlebten
Kriege, Diktaturwende
Viele stehen heute noch - Kunstwerke unserer
Ahnen, ohne Applaus
Ich liebte diese Natur, diese natürlichen Wände
Genau wie auf dem Dachboden, dieser
festgetretene Lehm
Nie zu schade, jährlich, die eigenen Hände
Mit Kuhfladen in Wasser aufgelöst, wischte man
den Estrich aus Lehm
Jedes Jahr und immer wieder, des Hauses
Rückwand
Abgekehrt, frischen Lehm, mit Spreu und Wasser,
aufgetragen
Da, wo kleine Risse, ein Stück rausgefallen - alles
von Hand
Alles selbstverständlich, keine unnötigen
Fragen
Was man durch harte Arbeit mühsam
zusammengespart
Schätzte man, versuchte es lange zu erhalten,
bewahren
Da hat keiner zynisch gelacht, keiner dich
vernarrt
Man half sich gegenseitig, alles Wertvolle zu
bewahren
Was mir am Haus, in der Heimat, so gut gefiel
Das war diese grenzenlose Natur, mitten im
Fensterrahmen
Den ganzen Sommer sperrangelweit offen das
Fenster, weil kein Ziel
Für Räuber, Diebe. Da wollte keiner kostenlos
„absahnen“
Genau wie der Schlüssel, von der Haustür
Er lag auf der Mauer oder hing am Nagel, innen,
am Bretterzaun
„Stehlen“ war ein Fremdwort, manchmal nicht
abgeschlossen die Küchentür
Damals hatten die Menschen noch in Himmel,
Mensch, Erde und Natur Vertrauen
Den ganzen Sommer, beim offenen Fenster
eingeschlafen, geträumt
Blütendüfte tränkten die Luft der wohltuenden Nacht
Welch gesundes Atmen, keine Witterung versäumt
Bei offenem Fenster geschlafen – unter
Sternenzelt und Rosenduftpracht
Diese Jahrzehnte, diese wertvolle, unbezahlbare Zeit
Sie kehrt nie mehr, niemals mehr wieder
Mein Elternhaus, aus Lehm gestampft, welch
Großartigkeit
Durch das offene Fenster, die ganze Nacht, drang
er bis zu mir, der Duft vom Flieder
©Elisabeth
Anton, Speyer / Hatzfeld
10.09.2014
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen